EU zielt auf Finanzmärkte

Vor kurzem noch galt sie als utopisch, nun steht sie vor der Tür: Die EU will eine Finanztransaktionssteuer einführen – notfalls im Alleingang. FORMAT Nr. 08/10 vom 26.02.2010.

Heike Makatsch würde man Linksradikalismus oder Weltfremdheit kaum nachsagen. Doch hätte sie vor wenigen Jahren an dem Spot mitgewirkt, der Dienstag europaweit präsentiert wird, wäre sie Gefahr gelaufen, als Utopistin zu gelten: Makatsch bewirbt darin gemeinsam mit „Tatort“-Schauspieler Jan Josef Liefers die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Und das ist nur eines der Zeichen dafür, dass die Forderung nach einer Besteuerung von Finanzflüssen in der Mitte der Gesellschaft angelangt ist – und in der Mitte europäischer Politik.

Die Idee der Steuer ist einfach: Auf jede Finanztransaktion soll eine Steuer von 0,01 bis 0,1 Prozent erhoben werden – um damit einerseits kurzfristige Spekulationen zu bremsen, andererseits Geld in die Staatskassen zu spülen. Nach Jahren, in denen die globale Einführung als Bedingung galt, überlegt die Europäische Union nun, eine Finanztransaktionssteuer im Alleingang einzuführen – auch gegen den Willen der USA. Im Dezember noch gab der EU-Gipfel dem IWF den Auftrag, die Steuer global zu prüfen. Doch nun ist Brüssel dran: Am Dienstag forderte das Europäische Parlament die Kommission auf, zu prüfen, wie denn eine Einführung im europäischen Alleingang aussehen könnte. „Eine europäische Finanztransaktionssteuer wäre ein erster wichtiger Schritt“, sagt dazu Othmar Karas, ÖVP-Abgeordneter in Brüssel. Auch das ein Zeichen der Trendwende: Bei den letzten beiden Abstimmungen im Europäischen Parlament stimmte die ÖVP nämlich gegen die Transaktionssteuer, wie Hannes Swoboda anmerkt.

Für Poul Nyrup Rasmussen, den Vorsitzenden der Europäischen Sozialdemokraten, ist der Schritt allerdings zu klein. „Man kann der Kommission nicht überlassen, sich selbst eine Meinung zu bilden – das muss politisch geschehen.“ Der Ex-Premier von Dänemark ist der führende Kopf einer neuen Kampagne für die Finanztransaktionssteuer, die nächste Woche ihren europäischen Auftakt feiert: „Europeans for Financial Reform“ vereint sozialdemokratische Politiker mit Gewerkschaften und Zivilgesellschaft und wird bis zum G20-Gipfel in Ontario im Juni Druck auf die Politik ausüben. „Erstens müssen jene, die die Krise verursacht haben, auch eine Rechnung bekommen – die Leute verstehen nicht, dass nun alles aus Sozialkürzung und Steuererhöhung kommen soll und ausgerechnet die Finanzbranche nichts zahlen muss. Zweitens müssen wir die Spekulation einbremsen. Das ist hoch notwendig – und ich glaube, dass wir den Erfolg schon in der Tasche haben.“

Der Grund für Rasmussens Optimismus hat einen Namen: Griechenland. Noch vor wenigen Wochen, als Barack Obama seinen Plan für eine Bankenabgabe präsentierte, wollten sich die meisten Europäer einfach anschließen und den Plan einer Transaktionssteuer fallen lassen. „Bankensteuer und Finanztransaktionssteuer drohen gegeneinander ausgespielt zu werden“, sagt Karin Küblböck von Attac (jene Organisation, die die Forderung nach der Finanztransaktionssteuer im Namen trägt). Doch dann kam der Schock des griechischen Budgetdefizits und der Ansturm der Hedgefonds und Investmentbanker, die gegen das Euro-Land wetteten. „Allein am ersten Tag wurden über sechs Milliarden Euro gegen Griechenland eingesetzt“, sagt Rasmussen. Das griechische Debakel, das die Euro-Zone erzittern lässt, macht die Finanztransaktionssteuer plötzlich wieder sehr attraktiv: Sie würde sowohl die Wucht der Spekulanten einbremsen als auch die Staatskassen füllen.

Sanierungssteuer. Denn die Steuer bringt sehr viel Geld. Das WIFO hat errechnet, dass die EU bei 0,01 Prozent Steuer 93,7 Milliarden Euro pro Jahr lukrieren könnte, bei 0,1 Prozent gar 292 Milliarden Euro – die dämpfenden Auswirkungen auf Finanztransaktionen schon eingerechnet. „Deutschland alleine könnte mit einer Besteuerung von nur 0,05 Prozent die Hälfte des Budgetdefizits finanzieren – wie jedes andere Land auch“, lockt Rasmussen. Er startet die Kampagne am 4. März übrigens dort, wo der erste All-Parteien-Beschluss für die Finanztransaktionssteuer gefasst wurde: in Wien.