Religion im Gericht

Vor kurzem erhitzte ein Skandal-Urteil gegen einen türkischstämmigen Mann die Gemüter, der seine Frau fast getötet hatte: Ihm wurde aufgrund seiner „Herkunft“ eine Strafmilderung zugebilligt. Erstaunlicherweise nützt die Justizministerin die Aufregung nicht, um klarzustellen, dass Herkunft, Religion und Kultur in Strafprozessen nichts verloren haben – sondern tut das Gegenteil und bringt Religion in das Strafgesetz hinein. Ihrem Plan nach sollen „religiöse Motive“ und ein „Gesamtverhalten, das darauf abzielt, jemandem eine Lebensweise aufzuzwingen, die mit unserer Gesellschaft nicht konform ist“ strafverschärfend wirken. Als Beispiel nennt sie Familien, die ihren Kindern Schulbildung oder „Kontakt mit Männern“ verwehren. Die Stoßrichtung ist leicht zu erkennen: Es geht um Muslime. Doch das Strafgesetzbuch gilt für alle. Werden nun strenge Katholiken, die ihre Töchter am „Kontakt mit Männern“ hindern, verschärft bestraft? Gilt für österreichische Familien, die ihre Söhne auf die Uni, ihre Töchter aber in die Lehre schicken, automatisch schwere Nötigung – oder ist das mit „unserer Gesellschaft konform“? Nach den ersten Fällen wird sich die Ministerin wünschen, sie hätte das Naheliegende getan – und Religion und Kultur aus dem Strafgesetzbuch herausgehalten.