Nachbarn in Not

Es war zu erwarten, dass Griechenland nun ein europäisches Hilfspaket bekommt: Die Eurozone kann sich ein Mitglied am Rande der Pleite nicht leisten. FORMAT Nr. 06/10 vom 12.02.2010.

Es wird auch nicht der letzte solche Fall sein. Doch es wird nicht gut ankommen, dass jene EU-Bürger, die zuhause hohe Steuern zahlen, nun auch für Misswirtschaft und Investitionsblasen in anderen Ländern blechen. Die Hilfsaktion ist also ein guter Anlass, darüber zu verhandeln, wie die EU-Staaten an Geld kommen – gemeinsam. Das heißt erstens, die Steuern für Vermögen und Unternehmen zu harmonisieren: In guten Zeiten wird ein harter Steuerwettbewerb geführt, in schlechten kommen die Staaten in einer Währungsunion um Solidarität aber nicht herum – eine absurde Situation. Zweitens braucht die EU selbst Geld. Die Instrumente wie Finanztransaktions- und Kerosinsteuer liegen auf dem Tisch. Die Finanzminister sollten sie nun auch einsetzen. Denn diese Krise wird noch viel öffentliches Geld kosten. Wenn es allein von der geschmälerten Mittelschicht und durch Kürzungen bei Löhnen, Pensionen und Sozialleistungen aufgebracht werden muss, steht der soziale Friede nicht nur in Griechenland auf der Kippe.

Eurokrise: Die nächsten drei

Griechenland war nur der Anfang: Auch Spanien, Portugal und Irland schlittern in Budgetkrisen und bringen den Euro in Gefahr. Der Grundsatz der Eurozone – jeder zahlt seine Schulden selbst – ist damit nicht mehr zu halten. Ein Tabubruch. FORMAT Nr. 07/10 vom 19.02.2010.

Es ist erst knapp ein Jahr her, dass die politischen Führer der Europäischen Union vor die Kameras traten und – nach dem größten Bankenrettungspaket – das größte Konjunkturpaket der Geschichte der Union präsentierten. Banken und Konzerne wurden gerettet, Milliardensummen lockergemacht, als gäbe es kein Morgen. Doch „morgen“ ist jetzt: Nun, ein Jahr später, flattert die Rechnung ins Haus. Der Pleitegeier kreist nun über den Rettern. Die Staaten der Eurozone büßen, vorerst auf dem halb virtuellen Parkett der Finanzmärkte, ihre Bonität ein.

„Es ist typisch, dass nach einer Bankenkrise eine Krise der Staatsbudgets folgt“, sagt Kenneth Rogoff, der soeben eine Analyse der Finanzkrisen der letzten 800 Jahre herausgebracht hat. Doch so groß war sie zumindest in Europa noch nie: Ein Jahr nach der Rezession 1975 stieg das Budgetdefizit der Länder, die heute die Eurozone ausmachen, um 1,5 Prozentpunkte, nach dem Knick 1981 um 1,6 und 1993 nur um 0,5 Prozentpunkte. Doch jetzt ist die Eurozone um fünf Prozentpunkte stärker verschuldet als vor der Krise, ein Ende ist nicht in Sicht, und schlimmer: Jedes einzelne undisziplinierte Mitglied der Eurozone kann alle anderen mitreißen. Denn bisher hieß das Motto der Währungsunion: Jeder bezahlt seine Schulden selbst. Seit die EU jedoch letzte Woche de facto eine Garantie für Griechenland abgegeben hat, heißt es: Jeder zahlt seine Schulden selbst – wenn er kann. Sonst springen alle anderen ein. Dass schon die drohende Pleite Griechenlands – das nur 2,7 Prozent der Wirtschaftsleistung der EU stellt – die Euroländer zu so einem Tabubruch bewegt hat, ist ein klares Signal: Wer jetzt trudelt, reißt alle anderen mit.

Die PIGS: Der neue Club Med. Bedenklich ist: Griechenland war erst der Beginn.Nun blicken die Finanzminister sorgenvoll in jene Länder, die nach lauschigen Urlaubsparadiesen klingen – und schon bei ihrem Eintritt in die Eurozone als Risiko galten: Portugal, Irland, Griechenland und Spanien haben – als Akronym ihrer Namen – den wenig schmeichelhaften Namen PIGS (oder PIIGS, mit Italien) umgehängt bekommen. Dieser macht derzeit Furore auf den Finanzmärkten: Auf den Bankrott dieser Euro-Staaten zu spekulieren scheint das Gebot der Stunde. „Bald wird auch auf den Bankrott der gesamten Eurozone gewettet werden“, sagt Christopher Whalen, Mitbegründer von „Institutional Risk Analytics“ in Los Angeles, den Nuriel Roubini zu den wenigen unabhängigen Banken-Analysten der USA zählt (s. Interview S. 22).

Der erste Kandidat für die neuen Pleitewetten ist Spanien, das infolge einer Schwindel erregenden Immobilienblase auch ohne Weltwirtschaftskrise in tiefe strukturelle Probleme gestürzt werde. Die globale Rezession hat die Lage nur verschärft: Eben noch ein Musterbeispiel für Maastricht-Disziplin, das sogar mit einem Budgetüberschuss prahlen konnte, geht Spanien nun auf über 12 Prozent Budgetdefizit zu. Die Staatsverschuldung ist dabei, sich zu verdoppeln – und es ist völlig unklar, woher Besserung kommen soll. Zwar hat die Regierung ein Sparpaket beschlossen und gelobt, das Defizit bis 2013 wieder auf drei Prozent zu drücken. Aber wie das den Einbruch der Exporte, den Schwund der Binnennachfrage und die explodierende Arbeitslosigkeit (bereits 20 Prozent) ausgleichen soll, ist selbst Regierungschef José Luis Zapatero schleierhaft. Und Spanien ist ein ganz anderes Kaliber als das kleine Griechenland: Die Wirtschaft des Landes ist viermal so groß.

Ähnlich drastisch ist die Lage in Irland, wo ebenfalls eine Immobilienblase platzte und dabei den Bausektor wegwischte, der fast ein Fünftel der Arbeitsplätze im Land stellte. Irland meldet für 2010 über 14 Prozent Defizit und ebenso viel Arbeitslosigkeit. Die Möglichkeiten der Regierung sind beschränkt: Die Löhne sinken, die Arbeitslosigkeit steigt, und das Geheimrezept des ehemaligen keltischen Tigers – mit Steuerfreiheit Konzerne anzulocken – ist ausgereizt. Dritter Wackelkandidat der Eurozone ist Portugal, das schon 2001 nur durch einen höchst kreativen Umgang mit den Zahlen einem Defizitverfahren der EU entging – und seither seine Lage nicht sehr verbessert hat. Dass die Staaten bisher trotzdem so problemlos Geld aufnehmen konnten, liegt an ebenjenem Euro, dem sie nun Probleme machen: Mit Deutschlands strenger Währungsdisziplin im Rücken des Euro konnten sich die ehemaligen Weichwährungsländer stärker verschulden, als es ihnen sonst zugestanden worden wäre. Nun müssen alle dafür geradestehen. Denn eines ist sicher: Einen Bankrott in den eigenen Reihen kann sich die Eurozone nicht leisten. Die Euroländer stehen damit vor der ersten großen Herausforderung ihrer Geschichte. Sie haben fünf Möglichkeiten, mit den Wackelkandidaten umzugehen:

1. Pleitekandidaten steigen aus dem Euro aus – bisher keine Option.

2. Sie werden gerettet – was zu erheblichem Unmut in Ländern wie Österreich und Deutschland führen wird, die für die Defizite der anderen zahlen müssten.

3. Sie inflationieren die Schulden weg und brechen damit mit einem Grundprinzip des Euro – angesichts dessen, dass die überhöhte Geldmenge eine Ursache der Krise war, kein kluger Ansatz.

4. Sie zwingen die Länder zu sparen und regen Lohnsenkungen an – ein sicherer Weg in Streiks und soziale Unruhen, wie Griechenland derzeit zeigt.

5. Sie erschließen gemeinsame Einnahmequellen. Doch Steuerpolitik ist nationale Sache – und um gemeinsame Politik zu betreiben, müsste sich die Eurozone von einer reinen Währungs- zu einer politischen Union wandeln. Damit hätten die PIGS dem Euro letztendlich vielleicht doch noch einen Gefallen getan.

 

Griechische Tragödie

Das Drama um das griechische Budgetdefizit ist noch lange nicht ausgestanden – zumindest nicht, wenn es nach der Wall Street geht. Unbeeindruckt von den Garantie-Beteuerungen der EU, verkündet Rating-Oligopolist Standard & Poor’s gleich einer düsteren Kassandra der Staatsbankrotte, das Euro-Land könnte bald ein Downgrading erleiden. Das hat eine gewisse Ironie, wenn man weiß, dass ums Eck von Standard & Poor’s an jeder solchen Ankündigung gerade richtig fett verdient wird – von jenen, die auf den Niedergang Griechenlands und damit des Euro wetten. Darunter auch Goldman Sachs, die die Griechen bei ihrer haarsträubenden Budgetkosmetik lukrativ unterstützt haben und somit das Desaster erst ermöglicht haben – und nun täglich verschärfen: Der derivative Markt, der auf den Niedergang von griechischen Anleihen spekuliert, ist mittlerweile viel größer als dieser Markt selbst, und er wächst mit jedem Unkenruf. Es gäbe einfache Mittel gegen diesen Angriff auf den Euro: Erstens ein Verbot des Instruments der Spekulation – Credit Default Swaps –, wie es selbst George Soros fordert. Und zweitens eine Finanztransaktionssteuer. Beides wurde schon 2008 angekündigt. Vielleicht ist jetzt, wo es den Euro-Staaten an den Kragen geht, endlich der Zeitpunkt da, zu handeln. FORMAT Nr. 08/10 vom 26.02.2010

„Das Bankgeheimnis fällt bis Juni 2010“

Der abgehende EU-Steuerkommissar László Kovács über die Chancen einer europäischen Bankenabgabe, Österreichs Liebe zum Bankgeheimnis und den Plan für dessen Abschaffung bis Juni. FORMAT Nr. 04/10 vom 29.01.2010.

Format: Herr Kommissar, Schweden hat eine europäische Bankenabgabe vorgeschlagen. Ist das realistisch?

László Kovács: Technisch ist diese Bankenabgabe möglich. Politisch ist sie ebenfalls möglich. Aber praktisch? Ich zweifle daran: Wir bräuchten hier Einstimmigkeit. Leicht wird es nicht.

Format: Warum so skeptisch?

Kovács: Ich erinnere mich gut an 2005, als die Kommission vom Rat der Finanzminister (Ecofin) den Auftrag erhielt, neue europäische Steuern zu entwickeln. Das Ziel war mehr Geld für Entwicklungshilfe. Ich habe also Steuern auf Kerosin, Flugtickets, Finanztransaktionen, höhere Abgaben auf Treibstoff und eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,5 Prozent vorgeschlagen. Die Kerosin- und die Flugticket-Steuer wurden schon beim ersten Ministerrat gekillt, nach drei Räten war keine mehr übrig. Im Prinzip war jeder dafür – in der Praxis gibt es immer irgendein Veto.

Format: Diesmal ist der Budgetdruck aber höher.

Kovács: Das stimmt. Ein weiterer Aspekt stimmt positiv: Steuern auf Flugreisen sind nicht beliebt. Aber eine Steuer für Banken würde derzeit sicher die Unterstützung der Bevölkerung haben.

Format: Ihr großer Erfolg letzte Woche war der Beschluss, die Verfolgung von Steuerflüchtigen in anderen EU-Ländern zu erleichtern. Ist damit der Weg zu Ihrem Hauptanliegen – Kampf gegen Steuerflucht – geebnet?

Kovács: Ich bin sehr froh, dass ich bei meinem letzten Ecofin nicht mit leeren Händen gegangen bin! Unsere Vorschläge gegen Steuerflucht sind ein Paket von fünf Richtlinien. Einige Länder – darunter Österreich – haben sich bisher geweigert, die Punkte einzeln zu diskutieren. Dass wir nun das Paket aufgeschnürt und die erste von fünf beschlossen haben, ist ein großer Schritt nach vorne.

Format: Was ändert sich jetzt?

Kovács: Bisher konnten grenzüberschreitend ohne Unterstützung des anderen Landes nur fünf Prozent der Steuern eingetrieben werden, die zu zahlen wären. Das ist sehr, sehr wenig. Nun ist die gegenseitige Unterstützung der Mitgliedsstaaten gesichert. Das ist ein Schritt zu mehr Kooperation – und vor allem Solidarität.

Format: Warum ist Ihnen der Kampf gegen Steuerflucht so wichtig? In Österreich haben Sie sich damit wenig beliebt gemacht.

Kovács: Weil sehr viel Geld auf dem Spiel steht. Der Verlust aus Steuerflucht beträgt zwischen 200 und 250 Milliarden Euro – fast zweimal das EU-Jahresbudget, viermal das Landwirtschaftsbudget, fünfmal so viel wie die Strukturpolitik. Eine enorme Summe Geld. Gerade jetzt können es sich die Mitgliedsstaaten nicht leisten, 200 bis 250 Milliarden Euro pro Jahr zu verlieren. Es gibt aber auch einen moralischen Aspekt: Millionen Bürger zahlen pflichtbewusst ihre Steuern. Sie sind sehr irritiert, wenn andere sich dieser Pflicht entziehen – und es sich dabei ausgerechnet um die Reichen handelt. Denken Sie an die Aufregung in Deutschland nach dem Liechtenstein-Skandal. Damals habe ich beschlossen, die Reform der Zinsbesteuerungsrichtlinie zu beschleunigen. Dieser Vorschlag liegt nun auf dem Tisch.

Format: Wie wollen Sie die Schlupflöcher schließen?

Kovács: In fünf Schritten: erstens mit der Richtlinie zur Rückholung von Steuern, die gerade beschlossen wurde. Zweitens behördliche Zusammenarbeit. Drittens soll die Zinsbesteuerungsrichtlinie reformiert werden – da haben wir noch keinen Konsens. Viertens wollen wir ein Abkommen mit Liechtenstein abschließen und fünftens ein Verhandlungsmandat mit den vier anderen Nicht-EU-Staaten, die Probleme machen – Monaco, die Schweiz, Andorra und San Marino. Der Clou: Sobald mit diesen Staaten Abkommen stehen, erledigt sich die Zinsbesteuerungsrichtlinie. Dann müssen nämlich auch Österreich und Luxemburg dem automatischen Datenaustausch zustimmen. So wurde es 2003 festgelegt.

Format: Das bedeutet, dass das österreichische Bankgeheimnis fällt?

Kovács: Ja. 2003 hat sich Österreich – wie Belgien und Luxemburg – wegen des Bankgeheimnisses ausbedungen, keine Daten zu liefern, sondern eine Quellensteuer an die Herkunftsstaaten der Bürger zu zahlen, die ihr Geld in Österreich anlegen. Diese Steuer steigt mit 2011 auf 35 Prozent – das ist ohnehin nicht sehr attraktiv, wenn das Geld legal ist. Belgien hat sein Bankgeheimnis schon aufgegeben. Luxemburg und Österreich noch nicht. Wohl deshalb gab es auch noch keinen Beschluss für die Abkommen mit Liechtenstein, der Schweiz, Monaco und so weiter.

Format: Sagen Sie, dass Österreich den Kampf gegen Steuerflucht bremst?

Kovács: Sagen wir es diplomatisch: Österreich ist nicht erpicht darauf, den Prozess zu beschleunigen.

Format: Mit welchem Argument?

Kovács: Minister Josef Pröll sagt, er fürchtet Wettbewerbsverzerrung: Wenn Österreich dem automatischen Datenaustausch zustimmt, verliert es das Geld an andere Staaten mit besserem Bankgeheimnis. Ich sage aber: 25 EU-Staaten haben kein Bankgeheimnis. Und sie haben damit kein Problem.

Format: Österreich hat auf Druck von G-20 und OECD zugestimmt, Daten auf Anfrage herauszugeben. Ist das nicht genug?

Kovács: Das sagen die Luxemburger auch. Ich meine aber: Die OECD hat einen Mindeststandard gesetzt – wir in der EU sollten weiter gehen.

Format: Warum, glauben Sie, hängt Österreich so am Bankgeheimnis?

Kovács: Meine Vermutung: Es gibt viele Konten in Österreich, deren Besitzer erwarten, dass keine Information an ihre Herkunftsländer ergeht – und die es andernfalls abziehen würden. Das deutet darauf hin, dass es sich auch um nicht versteuerte Einkünfte handelt – wer würde sonst bleiben, wenn die Quellensteuer auf 35 Prozent steigt?

Format: Wollen Sie damit sagen, dass Österreich eine Steueroase ist?

Kovács: Keineswegs! Österreich hat ein transparentes Steuersystem, Ausländer zahlen nicht weniger, und es werden auf Anfrage Informationen überliefert. Österreich ist eben nur nicht sehr willig, den Kampf gegen Steuerbetrug zu beschleunigen.

Format: Wie lange, glauben Sie, hält das Bankgeheimnis noch?

Kovács: Ich bin zuversichtlich, dass wir bis Juni 2010 alle nötigen Beschlüsse unter Dach und Fach haben. Die spanische Präsidentschaft hat das zu einer Priorität gemacht, auch die Franzosen machen Druck. Wir können sehr schnell sein.

Format: Ist das noch aufzuhalten?

Kovács: Nein. Der Ball rollt.

Format: Sieht das Ihr Nachfolger Algirdas Semeta auch so?

Kovács: Ja. Wir hatten ein langes Gespräch: Er wird dieselbe Politik mit voller Energie weiterführen.

Zur Person

László Kovács, 70, war zweimal ungarischer Außenminister und bis 2004 Vorsitzender der ungarischen Sozialdemokraten. Seit 2004 ist er EU-Kommissar für Steuern und Zollunion. Sein wichtigstes Projekt als Kommissar war der Kampf gegen Steuerflucht – seine Gegner waren vor allem Österreich, Luxemburg und Belgien, das 2009 sein Bankgeheimnis gekippt hat. Kovács kehrt mit Februar 2010 in die ungarische Politik zurück.

EU zielt auf Finanzmärkte

Vor kurzem noch galt sie als utopisch, nun steht sie vor der Tür: Die EU will eine Finanztransaktionssteuer einführen – notfalls im Alleingang. FORMAT Nr. 08/10 vom 26.02.2010.

Heike Makatsch würde man Linksradikalismus oder Weltfremdheit kaum nachsagen. Doch hätte sie vor wenigen Jahren an dem Spot mitgewirkt, der Dienstag europaweit präsentiert wird, wäre sie Gefahr gelaufen, als Utopistin zu gelten: Makatsch bewirbt darin gemeinsam mit „Tatort“-Schauspieler Jan Josef Liefers die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Und das ist nur eines der Zeichen dafür, dass die Forderung nach einer Besteuerung von Finanzflüssen in der Mitte der Gesellschaft angelangt ist – und in der Mitte europäischer Politik.

Die Idee der Steuer ist einfach: Auf jede Finanztransaktion soll eine Steuer von 0,01 bis 0,1 Prozent erhoben werden – um damit einerseits kurzfristige Spekulationen zu bremsen, andererseits Geld in die Staatskassen zu spülen. Nach Jahren, in denen die globale Einführung als Bedingung galt, überlegt die Europäische Union nun, eine Finanztransaktionssteuer im Alleingang einzuführen – auch gegen den Willen der USA. Im Dezember noch gab der EU-Gipfel dem IWF den Auftrag, die Steuer global zu prüfen. Doch nun ist Brüssel dran: Am Dienstag forderte das Europäische Parlament die Kommission auf, zu prüfen, wie denn eine Einführung im europäischen Alleingang aussehen könnte. „Eine europäische Finanztransaktionssteuer wäre ein erster wichtiger Schritt“, sagt dazu Othmar Karas, ÖVP-Abgeordneter in Brüssel. Auch das ein Zeichen der Trendwende: Bei den letzten beiden Abstimmungen im Europäischen Parlament stimmte die ÖVP nämlich gegen die Transaktionssteuer, wie Hannes Swoboda anmerkt.

Für Poul Nyrup Rasmussen, den Vorsitzenden der Europäischen Sozialdemokraten, ist der Schritt allerdings zu klein. „Man kann der Kommission nicht überlassen, sich selbst eine Meinung zu bilden – das muss politisch geschehen.“ Der Ex-Premier von Dänemark ist der führende Kopf einer neuen Kampagne für die Finanztransaktionssteuer, die nächste Woche ihren europäischen Auftakt feiert: „Europeans for Financial Reform“ vereint sozialdemokratische Politiker mit Gewerkschaften und Zivilgesellschaft und wird bis zum G20-Gipfel in Ontario im Juni Druck auf die Politik ausüben. „Erstens müssen jene, die die Krise verursacht haben, auch eine Rechnung bekommen – die Leute verstehen nicht, dass nun alles aus Sozialkürzung und Steuererhöhung kommen soll und ausgerechnet die Finanzbranche nichts zahlen muss. Zweitens müssen wir die Spekulation einbremsen. Das ist hoch notwendig – und ich glaube, dass wir den Erfolg schon in der Tasche haben.“

Der Grund für Rasmussens Optimismus hat einen Namen: Griechenland. Noch vor wenigen Wochen, als Barack Obama seinen Plan für eine Bankenabgabe präsentierte, wollten sich die meisten Europäer einfach anschließen und den Plan einer Transaktionssteuer fallen lassen. „Bankensteuer und Finanztransaktionssteuer drohen gegeneinander ausgespielt zu werden“, sagt Karin Küblböck von Attac (jene Organisation, die die Forderung nach der Finanztransaktionssteuer im Namen trägt). Doch dann kam der Schock des griechischen Budgetdefizits und der Ansturm der Hedgefonds und Investmentbanker, die gegen das Euro-Land wetteten. „Allein am ersten Tag wurden über sechs Milliarden Euro gegen Griechenland eingesetzt“, sagt Rasmussen. Das griechische Debakel, das die Euro-Zone erzittern lässt, macht die Finanztransaktionssteuer plötzlich wieder sehr attraktiv: Sie würde sowohl die Wucht der Spekulanten einbremsen als auch die Staatskassen füllen.

Sanierungssteuer. Denn die Steuer bringt sehr viel Geld. Das WIFO hat errechnet, dass die EU bei 0,01 Prozent Steuer 93,7 Milliarden Euro pro Jahr lukrieren könnte, bei 0,1 Prozent gar 292 Milliarden Euro – die dämpfenden Auswirkungen auf Finanztransaktionen schon eingerechnet. „Deutschland alleine könnte mit einer Besteuerung von nur 0,05 Prozent die Hälfte des Budgetdefizits finanzieren – wie jedes andere Land auch“, lockt Rasmussen. Er startet die Kampagne am 4. März übrigens dort, wo der erste All-Parteien-Beschluss für die Finanztransaktionssteuer gefasst wurde: in Wien.